Was ist Partizipation?

Partizipation ist sowohl Auftrag als auch Selbstverständnis der Kinder- und Jugendarbeit. Partizipation ist dabei rechtlich auf unterschiedlichen Ebenen verankert, so dass die pädagogische Praxis der Jugendarbeit einen Auftrag zur Förderung und Ermöglichung dieser zu erfüllen hat. Partizipation ist dabei nicht nur Lernziel, sondern soll auch die Praxis der Jugendarbeit selbst beeinflussen, indem Bedürfnisse von jungen Menschen einbezogen und die Angebote der Jugendarbeit von diesen mitbestimmt werden (vgl. §11 SGBVIII).

Partizipation kann sich in der Praxis über ganz unterschiedliche Formen und Intensitäten zeigen. Typische Synonyme sind z.B. Teilnahme und Teilhabe, aber auch Mitwirkung, Mitgestaltung, Mitbestimmung, Mitsprache oder Beteiligung. Im Alltag können das aber sehr unterschiedliche Dinge sein (vgl. u.a. Pluto 2018, S. 946; Züchner/Peyerl 2016).


Wichtige Gesetze und Rechte zu Partizipation in der Kinder- und Jugendarbeit in Hessen sind u.a

  • SGB VIII §§8, 11, 12
  • UN-Kinderrechtskonvention  Artikel 12
  • Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetz §§35, 37
  • Hessischen Gemeinde- und Landkreisordnung §4c

Die Ziele von Partizipationsförderung können in zwei große Bereiche differenziert werden, die in Zusammenhang stehen: die persönliche Entwicklung der Jugendlichen sowie die Förderung und der Erhalt der demokratischen Gesellschaftsordnung bzw. Demokratiebildung (vgl. Sturzenhecker 2013; SGB VIII §11).
Bezogen auf die persönliche Entwicklung verweist beispielsweise Moser (2010, S. 325) auf den Ausbau von Selbst-, Sach-, Sozial- und Methodenkompetenzen durch Partizipationserfahrungen. Selber etwas mitgestalten, entscheiden und verantworten hat auch Auswirkungen auf einen selbst, das Selbstvertrauen und die Vorstellung, in der Welt etwas verändern zu können.

Für ein demokratisches Miteinander stellt Partizipationsförderung Mittel als auch Ziel dar, da (politische) Partizipation wesentliches Grundelement von demokratischen Entscheidungsprozessen und Demokratie als Gesellschaftsform ist. Gleichzeitig wird Partizipation vor allem über das Erleben von und „Mittun“ in demokratischen Entscheidungsprozessen „im Kleinen“ erlernt (vgl. u.a. van Deth 2009, S. 141; Coelen 2010, S. 38 f.), also durch direktes Mitwirken von Kindern und Jugendlichen in ihren alltäglichen Institutionen, Sozialräumen und Sozialbeziehungen.

Partizipation als Lernfeld erfordert Partizipation ermöglichende Strukturen, wie die rechtliche Verankerung, aber auch tatsächliche Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs- und Mitspracheoptionen auf Seiten der Gesellschaft und Institutionen. Gerade die Jugendarbeit besitzt über ihre zentralen Merkmale wie Freiwilligkeit, Lebenswelt- und Sozialraumorientierung sowie Gruppen- und Werteorientierung gewisse förderliche Bedingungen, die aber auch von anderen Einflussfaktoren innerhalb und außerhalb der Einrichtungen abhängig sind. Dazu zählen u.a. die Jugendlichen selbst (z.B. Motivation, Alter; vorhandene Partizipationserfahrung), ihre (sozialräumlichen) Rahmenbedingungen des Aufwachens (z.B. soziale Ungleichheit; Zugang zu Jugendarbeit), andere Institutionen (z.B. Schule), gesellschaftliche und politische Bedingungen und nicht zuletzt die verantwortlichen pädagogischen Fachkräften und Interaktionsweisen zwischen allen Beteiligten (vgl. u.a. Peyerl/Züchner 2020; von Schwanenflügel 2015, S. 17, 265 ff.; Moser 2010, S. 205). Gerade die Schaffung von Freiräumen bietet für Partizipation daher besondere Lern- und Erfahrungsräume, in denen sie mit- und selbstbestimmt agieren können.


Literatur

Coelen, T. W. (2010): Partizipation und Demokratiebildung in pädagogischen Institutionen. Zeitschrift für Pädagogik, 56 (1), S. 37–52.
Moser, S. (2010): Beteiligt sein. Partizipation aus der Sicht von Jugendlichen. Wiesbaden.
Peyerl, K./Züchner, I. (2020): Das hessische Jugendaktionsprogramm P 2017–2019. Marburg.
Pluto, L. (2018): Partizipation und Beteiligungsrechte. In: Böllert, K. (Hrsg.): Kompendium Kinder- und Jugendhilfe, Wiesbaden, S. 945–965.
Sturzenhecker, B. (2013): Anspruch, Potential und Realität von Demokratiebildung in der Jugendverbandsarbeit. In: Oechler, M./Schmidt, H. (Hrsg.): Empirie der Kinder- und Jugendverbandsarbeit, Wiesbaden, S. 225–236.
Van Deth, J. W. (2009): Politische Partizipation. In: Kaina V./Römmele A. (Hrsg.): Politische Soziologie. Wiesbaden, S. 141–161.
Von Schwanenflügel, L. (2015): Partizipationsbiographien Jugendlicher. Zur subjektiven Bedeutung von Partizipation im Kontext sozialer Ungleichheit. Wiesbaden.
Züchner, I./Peyerl, K. (2016): Partizipation von Kindern und Jugendlichen – Annäherung an einen vielfältigen Begriff. In: Institut für Soziale Arbeit e.V. (Hrsg.): ISA-Jahrbuch 2015 zur sozialen Arbeit. Schwerpunkt Partizipation. Münster/New York, S. 27–43.